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January 8, 2023
Mirko Müller

Erfolgsgeschichte Jou Jetzä - Jugendtheater

Von
Mirko Müller
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DieBretter, die die Welt bedeuten…

Der letzte entscheidende Satz fällt. Das Licht wird gedimmt bis sich im ganzen Saal die Dunkelheit verbreitet. Applaus! Die Schauspielenden eilen hinter die Bühne und versammeln sich an den beiden Seiteneingängen und warten auf ihren letzten Einsatz an diesem Abend. Die Scheinwerfer erglühen. Durch den kleinen Spalt im Vorhang erblickt man auf der gegenüberliegenden Seite seine «Verbeugungspartnerin». Ein kurzes Nicken und dann geht’s los. Für die Augen ist der erste Schritt auf die Bühne der Schlimmste. Die hellen Scheinwerfer blenden so sehr, dass das Offenhalten der Augen schier unmöglich ist. Die Füsse, welche die Bühne in- und auswendig kennen, wissen allerdings genau was zu tun ist. Nach den ersten paar Schritten in Richtung Bühnenmitte und dem Versuch blinzelnd die Augen zu öffnen, spürtman die Hand der Verbeugungspartnerin. Diese Berührung, löst einen Schwall an Erinnerungen aus. Vor den immer noch geblendeten Augen tauchen Bilder von den Höhen und Tiefen der vergangenen Tage und Wochen auf:

... Die Texthänger welche oftmals lustig und manchmal nervig waren,

… die Versprecher, welche immer lustig waren,

... die Roadtrips, um irgendwelche Requisiten quer durch die Schweiz zu fahren,

… die Nacht-und Nebelaktionen, weil doch noch eine gute Idee aufkam,

… die kleinen und grossen Dramen neben der Bühne,

… die Lachanfälle, welche sich oftmals in die Länge zogen,

… die Texthefte, welche verloren gingen und später an unerklärlichen Orten auftauchten,

… die Bastel- und Nähabende, da es die passenden Kostüme nicht zu kaufen gab und

… die gemeinsamen Zmorgen-, Zmittag- und Znachtessen, welche immer ein Fest waren.

Die leichte Berührung der Hände wird zu einem festen Halt und die sekundenschnellen Bilder verschwinden auf einen Schlag. Spätestens jetzt mit dem Erblicken der leuchtenden Augen der «Verbeugungsparnterin» erstrahlt ein breites Grinsen im Gesicht. Tosender Applaus! Plötzlich sind trotz blendender Scheinwerfer die ersten Publikumsreihen und darunter ein paar bekannte Gesichter erkennbar. Überall strahlende, lachende und zufriedene Gesichter. Ein unbeschreibliches Gefühl. Wie von selbst verbeugt sich der Oberkörper vor der brausenden Menge. Die Hände lösen sich, dieFüsse übernehmen wieder das Kommando und befördern die Schauspielenden wie auf Wolken an den äusseren Rand der Bühne. Die Hände setzten in den Applaus mit ein und die nächsten beiden Schauspielenden linsen durch den kleinen Spalt im Vorhang und betreten gleichzeitig die Bühne. Dies geht so lange, bis alle Beteiligten inklusiv Technikerteam und Helfende auf der Bühne stehen. Applaus. Immer noch. Die Blicke links und rechts, dass zustimmende Nicken der anderen Schauspielenden und das beflügelnde Gefühl im ganzen Körper verraten: Ja, wir werden auch imnächsten Jahr wieder auf der Bühne stehen.

Doch damit der Theaterverein Jou Jetzä (fast) jedes Jahr auf der Bühne stehen kann und konnte, musste einiges geschehen. Die Geschichte dieses Vereins begann am Bättwiler Mitwirkungstag 2011. Da traf sich eine Gruppe theaterinteressierter Jugendlicher und ärgert sich darüber, dass es zwar für Kinder und Erwachsene, aber nicht für Jugendliche die Möglichkeit gibt Theater zu spielen. Da nur Ärgern nichts bringt wurde kurzerhand beschlossen, eine Theatergruppe zugründen und noch mehr potenzielle Talente zu suchen. Ziemlich plötzlich, mitviel Motivation und etwas blauäugig stolperte die bunte Gruppe in das grosse Abenteuer «Theater».

Was zu Beginn eher eine Not war, wurde nach über 10 Jahren zum Markenzeichen desTheatervereins: Da Theaterstücke zum einen lizenziert und somit kostenpflichtig sind und sich die Gruppe zum anderen nicht auf ein Stück einigen konnte, entschloss sie sich ein eigenes Stück zu schreiben. Aus aktuellem Anlass wurde die Kluft zwischen Jung und Alt thematisiert. So entstand ein unterhaltsames Stück rund um Jugendliche, welche in einem Altersheim Sozialstunden leisten müssen. Die Unterschiede der Generationen werden beim Füttern der Seniorinnen und Senioren oder beim Ärger über das ausgeschaltete Hörgerät überspitzt spürbar. Das Wort «Hää?» ist grosser Bestandteil des Wortschatzes, deren Bewohnerin, welche auf tragische Weise aus dem Leben weicht. Zum Schluss ist zu sehen, dass nicht, wie vermutet die Jugendlichen, sondern die geizige Pflegerin etwas mit dem Tod der alten Dame zu tun hat. Das Stück wurde passend «Jugend? NeinDanke!» genannt und war im Januar 2012 ein grosser Erfolg. Im selben Jahr wurde der Jugendtheaterverein Jou Jetzä gegründet und der frischgebackene Verein gewann den Publikumspreis und den zweiten Platz in der Jury-Wertung am Jugendprojektwettbewerb des Kanton Solothurns. Fortan nahm die Geschichte ihren Lauf. Bis im Jahr 2019 hat Jou Jetzä sieben abendfüllende Theaterstücke und acht kleinere Auftritte an Festen oder Firmenevents aufgeführt. Von Hänsel und Gretel, über Zeitreise und Flugzeugabsturz, bis hin zu tragischen Liebesgeschichten und kuriosen Figuren – Es war und ist alles dabei.

Die Pandemie hat es im Jahr 2020 leider unmöglich gemacht, Theateraufführungen durchzuführenund so musste der Verein schweren Herzens das erste Mal seit acht Jahren pausieren. Da die Lage lange ungewiss schien, wagten sie sich an ein neues Projekt. Schon immer waren kurze Filme Teil der Theateraufführungen, doch jetzt soll es ein Spielfilm werden. Genau so blauäugig, wie im Jahr 2011 startete die Gruppe exakt 10 Jahre später das Projekt «Spielfilm». Aus «komm wir drehenmal schnell an zwei/drei Sonntagen einen Film, das wird ja nicht so schwierigsein!» wurden über 280 Stunden Vorbereitung, 16 Drehtage bei Temperaturenvon -5° bis 26°C und 522 GB Rohdaten an Film- und Tonmaterial. Nach über 550 Stunden Nachbearbeitung entstand der 75-minütige Film «Spiel!», welcher die Premiere im Pathé Kino in Basel feiern durfte. Dem grossen Publikum wurde der Film dann in Form eines Openair-Kinos (oder Wetterbedingt dann doch Indoor-Kino) gezeigt.

«Spiel!» handelt von einer Welt, welche nach einer grossen Katastrohenicht mehr so ist, wie sie einmal war. Kleine Gruppen leben abgeschottet voneinander im Wald, in Bunkern oder auf der Strasse. Überleben können sie nur, wenn sie für sich selbst sorgen können. Eines Tages bekommen jeweils Zweiergruppen die Möglichkeit in Saus und Braus zu leben, wenn sie in einer Challenge kämpfen. Wie werden sie ihre Challenge bewältigen und wer wird schlussendlich in die gehobene Gesellschaft aufsteigen? Dies erfährst du hier:

„Ichliebe es, Theater zu spielen. Es ist so viel realistischer als das Leben.“

Dies sagtes chon Oscar Wilde und es ist etwas wahres dran. Nach den sehr intensiven Dreharbeiten, freut sich der Theaterverein Jou Jetzä im 2023 und hoffentlich noch viele weitere Jahre wieder auf der Bühne zu stehen.

Mirko Müller, Präsident Jou Jetzä

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